Selbstbestimmte Bildung ist keine Frage der Meinung
Es ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung! Die Verantwortung um das Recht auf Bildung, das jedem Menschen zusteht, haben wir alle gemeinsam zu tragen.
Das Argument: „Wir haben hier eine Schulpflicht in Deutschland und darüber können wir froh sein. Es ist ein Privileg!“ kann und will ich so nicht stehen lassen.
Dieses sogenannte Privileg auf Schulbesuch ist für eine zunehmende Zahl von jungen Menschen kein Privileg, sondern vielmehr eine Knechtschaft, die sie mit dem unbezahlbarstem Gut ihres Lebens bezahlen: ihrer Zeit!
Die Tatsache, dass wir in Deutschland privilegiert sind kostenfrei zur Verfügung gestellte Bildungsorte zu haben, kann nicht gleichzeitig zum Zwang zur Nutzung dessen führen.
Schon gleich dann nicht, wenn dieses Privileg auf den Rücken derer genutzt wird, die extrem darunter leiden. Denn dann ist es kein Privileg mehr, sondern vielmehr ein strukturelles Problem, für das wir als Gesellschaft alle gemeinsam verantwortlich sind.
Ein Privileg mit der gewaltsamen Beugung junger Menschen zu rechtfertigen ist nicht nur unmenschlich, sondern widerspricht auch dem Recht auf gewaltfreie Erziehung, welches das Recht junger Menschen seit über 20 Jahren ist.
Das ist keine Frage der Meinung, das sind Tatsachen, die wir uns ansehen müssen! Es ist unsere Verantwortung!
Ich hab mich lange gefragt, wie man beim Thema Selbstbestimmte Bildung NICHT einer Meinung sein kann.
Denn Selbstbestimmte Bildung heißt NICHT die Schule abzulehnen, sondern einfach nur, den jungen Menschen mit seinen Bedürfnissen wahrzunehmen und gewaltfrei zu begleiten.
Wie kann man da einer anderen Meinung sein?!
Weder menschlich noch gesetzlich ist es vertretbar, jungen Menschen Gewalt zuzufügen oder sie zu bevormunden . Stichwort Adultismus-eine Form von Diskriminierung, die wir in anderen Gesellschaftsgruppen NIE akzeptieren würden, aber bei Kindern heißt es dann: „das muss so“.
Das ist keine Frage der Meinung, sondern eine Frage der Verantwortung!
Das Totschlagargument „Schulpflicht in Deutschland ist ein Privileg!“
Ja es ist gut, dass der Staat Orte für Bildung zur Verfügung stellt.
Doch sobald ein Privileg auf den Schultern derer ausgetragen wird, die darunter leiden, ist es kein Privileg mehr. Dann ist es Gewalt.
Es geht hier auch nicht um eine Ablehnung der Schule generell, sondern bei Selbstbestimmter Bildung geht es um den jungen Menschen, der mit seinen Bedürfnissen und seinem individuellen Bildungsweg im Fokus steht. Nicht aus dem heraus, was andere für richtig halten.
Rita Hillen sagte: “das ist der Vergleich von Birnen und Äpfeln.”
Und genau das ist es:
Wir vergleichen hier westlichen Standart mit dritter Welt.
In dritte Welt Ländern bedeutet Schule: Zugang zu einem Buch, zu Nahrung, zu Wasser und zu Struktur.
Das ist für uns in Deutschland selbstverständlich. Wir sind privilegiert, dass wir all das haben und überall Zugang zu Bildung haben.
Doch daraus kann kein Zwang zum Besuch einer Schule abgeleitet werden.
In dem wir sagen „Schule ist ein Privileg und sollte wertgeschätzt werden“ negieren wir die Bedürfnisse der jungen Menschen.
Allein ein Blick in die Statistik der psychischen Belastungen Jugendlicher und die vielen jungen Menschen, die z.B. mit Suizid drohen, wenn sie weiter in die Schule gehen sollen, zeigt, dass das hier kein Privileg ist. Sondern es ist pure quälerei für diese Betroffenen. Hier von Privileg zu sprechen ist blanker Hohn.
Lisa Edelhäußer