#16 Die Herausforderung des Paradigmenwechsels: Wo spannt man das Pferd an?
Was wäre, wenn Schule Legasthenie verursacht? von Je’anna L Clements
„Das größte Hindernis für die Entwicklung des Automobils war der Mangel an Interesse der Öffentlichkeit. Wer dafür eintrat, das Pferd zu ersetzen, das dem Menschen jahrhundertelang gedient hatte, wurde als Schwachkopf bezeichnet.“ - Alexander Winton, 1930, in Erinnerung an die Gründung seiner Firma Winton Motor Carriage im Jahre 1897 (1930 war das Jahr, in dem er sich zur Ruhe setzte und sein erfolgreiches Unternehmen an General Motors verkaufte).
Stellen Sie sich vor, Sie versuchen jemandem aus dem Jahr 1897 zu erklären, wie ein Kraftfahrzeug funktioniert, wenn das, was er als „Automobil“ bezeichnet, ein Pferdewagen ist. Stellen Sie sich vor, Sie zeigen ihm eine Zeichnung von einem Mercedes. Stellen Sie sich vor, Sie werden gefragt: „Wo spannt man denn das Pferd an?“ Stellen Sie sich vor, Sie sagen ihm, dass kein Pferd nötig ist. Stellen Sie sich sein Erstaunen vor. Seine Skepsis. Natürlich muss es ein Pferd geben! Und falls wirklich kein Pferd nötig ist.. . . „Sie sind verrückt, wenn Sie glauben, dass dieser dumme, neumodische Apparat, mit dem Sie Ihre Zeit verschwendet haben, jemals das Pferd ablösen wird“, schimpfte Wintons Bankier.1
Betrachten wir nun die Bildung. In den letzten paar hundert Jahren wurde die Bildung zunehmend durch aufgezwungenen Unterricht und Lehrpläne beeinflusst. Alle „Innovationen“, die momentan eingeführt oder entwickelt werden, haben mit Unterricht und Lehrplänen zu tun. Man verbessert den Inhalt oder die Gestaltung oder den pädagogischen Ansatz oder die Art der Vermittlung oder die Nachteilsausgleiche. Aber man zieht niemals auch nur in Betracht, auf auferlegten Unterricht und den Lehrplan zu verzichten.
Also, was haben wir getan, um Menschen mit Dyslexie zu „helfen“, seitdem wir erkannt haben, dass sie eigentlich begabt sind und nicht zum Scheitern verdammt?
Wir haben die Orton Gillingham-Methode entwickelt, die multisensorische Strategien nutzt, um die Effektivität der Vermittlung mit der Lautiermethode zu verbessern. Wir haben Vorlesesoftware entwickelt, die den Lehrplaninhalt ver- schiedener Fächer über das Hörverstehen vermittelt. Wir setzen uns für Nachteilsausgleiche ein, damit Kinder mit Dyslexie mehr Zeit oder andere Zugeständnisse bekommen, wenn es um das Schreiben von Tests und Klausuren geht.
Aber niemals, wirklich niemals, haben wir in Betracht gezogen, dass vielleicht. . . Was wäre, wenn. . .
. . . was wäre, wenn die Unterstützung von Dyslektikern bei der „Bewältigung“ auferlegter Lehrpläne und Tests genauso wäre, als würde man jedes Kraftfahrzeug vor ein Pferd spannen, das es hinter sich herzieht? Was wäre, wenn alle Hilfsmaß- nahmen und Anpassungen das Pferd einfach fester anbinden, und im günstigsten Falle das Pferd auf Rollschuhen laufen lassen?