🙈 Mit welchen Argumenten lehnt ein deutsches Kultusministerium einen Antrag auf Ruhen der Schulpflicht (Schulbesuchszwang) ab?
🧐 Ich habe für diese Folge einige Zitate aus 2 Berichten des Sonderberichterstatters für das Recht auf Bildung (Der Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung ist ein unabhängiger Menschenrechtsexperte, der vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ernannt wird) herausgesucht, die deutlich machen, dass hier ein grundlegender Wertekonflikt vorliegt.
Was ist, wenn Menschen, die sich (angeblich) für "freie" Bildung einsetzen, weiterhin eine Schulpflicht (im Sinne eines Schulbesuchszwangs) verteidigen, die eindeutig gegen die Menschenrechte verstößt?
Ich bin gespannt auf eure Reaktionen.
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Zitate aus der Episode:
Securing the right to education: advances and critical challenges
Report of the Special Rapporteur on the right to education,
Farida Shaheed, 27 June 2023
H. Bildung darf nicht auf Schulbildung reduziert werden
59. Bildung darf jedoch nicht auf den Schulbesuch reduziert werden. Lernen muss anerkannt werden unabhängig davon, wo und wie es stattfindet. Zahlreiche andere Räume, darunter kulturelle Zentren, Bibliotheken, Familien und Gemeinden, sind an der Bildung beteiligt und müssen unterstützt werden. Wie die Internationale Kommission für die Zukunft der Bildung berichtet, besteht eine wichtige Aufgabe darin, das Denken darüber, wo und wann Bildung stattfindet, zu erweitern und auf mehr Zeiten, Räume und Lebensabschnitte auszudehnen, wobei man sich auf so genannte „Bildungsökosysteme“ stützt, die natürliche, gebaute und virtuelle Lernorte miteinander verbinden.
60. Das Mandat empfiehlt seit langem, die nicht-formale Bildung als ein wichtiges Mittel zur Verwirklichung des Rechts auf Bildung anzuerkennen. Sie kann Kindern außerhalb der Schule und erwachsenen Menschen eine „zweite Chance“ Bildung bieten, indem sie die Bildungsmöglichkeiten jenseits der regulären öffentlichen Schulsysteme erweitert und zahlreiche weitere Vorteile bietet. Im Rahmen des lebenslangen Lernens ist es wichtig, Lernen anzuerkennen, zu validieren und zu akkreditieren, wo auch immer es stattgefunden hat. Wie bei allen Formen der Bildung müssen Menschenrechtsaspekte bei der Gestaltung und Überwachung von Programmen der nicht-formalen Bildung berücksichtigt werden.
Die Bildungssysteme sollten so reformiert werden, dass ein fließender Übergang zwischen nicht-formalen und formalen Programmen möglich ist.
61. Nach Artikel 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte ist die Primarbildung und nicht die Schulbildung Pflicht. Der "häusliche Unterricht"
kann daher als Teil der Bildungsfreiheit betrachtet werden, wobei es den Familien freigestellt bleibt,
die Bildung ihrer Kinder zu Hause zu gewährleisten. Dennoch müssen für das Recht auf Bildung in allen Dimensionen die gleichen Garantien gelten.
Bericht des Sonderberichterstatters,
Vernor Muñoz Addendum DEUTSCHLANDBESUCH
(13. – 21. Februar 2006)
Aus der Arbeitsübersetzung des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder
in der Bundesrepublik Deutschland - IVC/ÜD -
62. Nach den vorliegenden Informationen könnte es sein, dass in manchen Bundesländern Bildung ausschließlich als "Schulbesuch" verstanden wird. Auch wenn der Sonderberichterstatter ein Verfechter der unentgeltlichen und obligatorischen öffentlichen Schule ist, muss daran erinnert werden, dass Bildung nicht auf "school attendance” (den Schulbesuch) reduziert werden kann und stets auf das Wohl des Kindes ausgerichtet sein muss. Alternativen wie Fernunterricht und "homeschooling" sind mögliche Optionen, die unter gewissen Umständen in Betracht kommen können, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass nach Artikel 13 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Eltern das Recht zukommt, die angemessene Bildung für ihre Kinder zu bestimmen. Die Förderung und Stärkung des öffentlichen und staatlich finanzierten Bildungssystems darf nicht dazu führen, Modelle ohne physische Präsenz im Schulgebäude anzuprangern. In diesem Sinne wurden dem Sonderberichterstatter Klagen über Drohungen mit dem Entzug des elterlichen Sorgerechts zur Kenntnis gebracht, weil Kinder in "homeschooling"-Modellen unterrichtet werden.
29. Lehrpläne, Pädagogik und Leistungen müssen mit den Zielen der Bildung als Menschenrecht und dem Grundsatz „Niemanden zurücklassen“ in Einklang stehen. Im Jahr 2014 wurde im Mandat die Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die vorherrschenden internationalen Bewertungen der Leistung von Schülern auf einer eher instrumentellen Rolle der Bildung basieren, die von dem Konzept der Entwicklung in rein wirtschaftlicher Hinsicht angetrieben wird und die Lernergebnisse in Mathematik und Sprachkenntnissen überbetont, zum Nachteil anderer Fähigkeiten und Talente, beispielsweise in den kreativen Künsten und anderen nicht-akademischen Bereichen. Ein solch engstirniger Ansatz steht im Widerspruch zu den Zielen, die der Bildung auf internationaler Ebene zugewiesen werden. Bewertungen sollten die Hauptziele des Rechts auf Bildung in vollem Umfang berücksichtigen.
30. Insgesamt gesehen erfüllen die Bildungssysteme die Ziele der Bildung nicht und verfolgen sie oft nicht wirklich oder, schlimmer noch, bewegen sich in die entgegengesetzte Richtung. Der vorherige Mandatsträger bedauerte, dass einige Bildungssysteme Diskriminierung, Ausgrenzung und Segregation sowie Assimilation mit reduzierenden Zielen fortführen, die den Bedürfnissen multikultureller Gesellschaften nicht gerecht werden. Wie die Internationale Kommission für die Zukunft der Bildung feststellte, vermitteln einige Bildungssysteme fälschlicherweise den Eindruck, dass kurzfristige Ziele wichtiger sind als langfristige Nachhaltigkeit, und betonen die Werte des individuellen Erfolgs, des nationalen Wettbewerbs und der wirtschaftlichen Entwicklung, was zu Lasten von Solidarität, Verständnis für gegenseitige Abhängigkeiten und Fürsorge für einander und den Planeten geht.
Darüber hinaus ist es notwendig, dass wir lernen, zu verlernen und etabliertes, vorherrschendes Wissen kritisch hinterfragen.
Einige Beitragende berichteten, dass die Ziele der Bildung weiterhin im uneingeschränkten Ermessen der Bildungsministerien liegen, ohne dass es einen Mechanismus zur Überwachung oder Bewertung gibt.
Der Sonderberichterstatter ist der Ansicht, dass diese Fragen bei den Bemühungen zur Bewältigung aktueller und zukünftiger Herausforderungen von entscheidender Bedeutung sind.
Aus der Antwort des Kultusministeriums Niedersachsen an einen Jungen Menschen zum Antrag auf Ruhen der Schulpflicht/ Beurlaubung/ Ende der Schulpflicht in besonderen Fällen:
Eine Befreiung von der Schulpflicht über die Tatbestände des § 70 NSchG hinaus ist lediglich auf Einzelfälle begrenzt, sofern dieses bei Vorliegen eines wichtigen Grundes geboten ist. Der Wunsch der Erziehungsberechtigten und der Schülerinnen und Schüler, eigene Erziehungsziele und Berufswünsche unabhängig vom bestehenden Bildungssystem zu verfolgen, hat hinter dem Bildungsauftrag zurückzustehen. Der Schulpflicht kommt ein hoher Stellenwert zu.
Die auf Art. 4 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung beruhende Schulpflicht wurde durch die §$ 63 ff. NSchG näher ausgestaltet. Gemäß § 63 Abs. 5 NSchG besteht für alle Kinder, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen haben, eine Schulpflicht.
Die Schulpflicht ist eine Schulbesuchspflicht. Die Schülerinnen und Schüler sind grundsätzlich verpflichtet, zu einer Schule zu kommen und dort am Unterricht teilzunehmen. Wer der Schulpflicht nicht nachkommt handelt ordnungswidrig.
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